Der Sklave
Bey meinem lieben Topf voll Reiß
Verschmaus’ ich, Sklav des großen Deys,
Der Freyheit Last und Kummer.
Von Ketten lieblich eingeklirrt,
Schlaf’ ich, bis früh die Peitsche schwirrt,
Der Arbeit süssen Schlummer.
Zwar schnaubt mein Dey: Du Christenhund!
Und geisselt mir den Rücken wund,
Und sieht aus wie der Teufel:
Doch jeder hat so seinen Tick,
Und ich verwette mein Genick,
Gut meint ers ohne Zweifel.
Wenn ihr nur seinen Tick nicht reizt,
Und ihm so vor der Nase kreuzt,
Malthesische Verschwörer!
Der Christen Freyheit rächet ihr?
Bey Machmuds Bart! das fühlen wir!
Ihr seyd nur Friedensstörer!
Quecksilber hat der Narr im Kopf,
Der nicht mit Lust bey deinem Topf,
Korsarenvater, bleibet!
Du bist ja Herr, und wir sind Knecht!
Das wollte Gott und Völkerrecht!
Ein Meuter, wer sich streubet!
Das Vaterland? Was Vaterland!
Der Topf, der Topf ist Vaterland!
Das übrige sind Frazen!
Da sollt’ ich mich dem wilden Meer
Und Sturm vertraun, und hinterher
Um Brod die Ohren krazen!
Bey meinem lieben Topf voll Reiß
Genieß ich, Sklav des großen Deys,
Hans Ohnesorgens Freuden!
Und wenn ich einst bey Laune bin,
So geh’ ich zu dem Mufti hin,
Und lasse mich beschneiden!
Johann Heinrich Voß: Der Sklave. In: Musenalmanach für 1777. Hamburg
[1776], S. 81f. (später um eine Strophe erweitert unter dem Titel Der
zufriedene Sklave in: Sämtliche Gedichte. Königsberg 1802, Th. 4, S.
52-54). Das Eingangszitat stammt aus der Rezension des Vossischen
Musenalmanachs 1776 in Wielands Teutschem Merkur 1777/1, S. 85-89.
Diese stammt allerdings nicht von Wieland, sondern von Johann
Heinrich Merck. Vgl. Merck: Gesammelte Schriften. Hg. von Ulrike
Leuschner. Bd. 3. Göttingen 2012, S. 31-34 u. 214-218.
Das heischere Geschrey nach Freyheit ... macht auf alle Menschen, die
ihren Kohl in Frieden bauen, und wenig auf die Regierung acht geben,
worunter sie ihn bauen, einen höchst widrigen Effekt.
Wieland