Der Agneswerder
Das Weiblein thut so heftig,
Und nennet schön den Tag;
Der Kindlein Schwarm geschäftig
Trägt Tisch und Bänke nach.
Heut sitzt die ganze Klause
Am See bei’m Abendschmause
Im regen Pappeldach
Ihr auch, Ihr wackern Gäste
Greift flugs und fröhlich an!
Bei unserm Abendfeste
Zeigt jeder, was er kann.
Wo meine Pappel grünet,
Da gaffet und bedienet
Kein strotzender Johann
Da sitzen wir und stehen
Am Waschbrett und am Tisch,
Und loben, was wir sehen,
Und schmausen Krebs und Fisch.
Spart nicht des kühlen Weines!
Das Fläschchen leer! Noch eines
Steht am Jasmingebüsch!
Wohl freut ihr euch des Örtchens!
Wohl liegt es schön, ihr Herrn!
Als Kleinod meines Gärtchens,
Liegt‘s aller Störung fern
Doch still gelobet werd‘ er,
Mein stiller Agneswerder;
Still lobt‘ ihn Agnes gern!
Oft sah sie hier im Kühlen,
Gespannt auf klarer Fluth,
Den Regenbogen spielen,
Und kleiner Fische Brut;
Oft, umgekehrt im Bilde,
Dort Insel, dort Gefilde,
Von Abendduft umruht
Wie froh des Abendgoldes
Auf fern umbüschten Höhn,
Wie sprach sie froh ihr holdes,
Ihr herzliches: Wie schön!
„Hier laßt uns Hütten bauen,
„Und hier auf frischen Auen
„Vereint durch‘s Leben gehn!“
Da saß die fromme Seele,
Und sprach ihr letztes Wort!
Mit Ahorn, Birk‘, Abele,
Bepflanzt‘ ich ihr den Ort.
Da pfleg‘ ich im Geheimen
Vergangenheit zu träumen,
Und beßre Zukunft dort!
Dann fühl‘ ich sanft erschüttert,
Ja heilig sei die Bank!
Die hohe Pappel zittert
Mit Nachtigallgesang.
Den Himmel seh‘ ich offen,
Und: „Dulden, lieben, hoffen!“
Ertönt‘s wie Lautenklang.
Nicht traurig, süßes Weibchen!
Froh sei das Aug‘ am Mahl!
Wir fliehn aus diesem Stäubchen
Auch einst in‘s schön‘re Thal!
Schau‘, unsre Bucht umwimmeln
Goldgelb‘ und weiße Mümmeln,
Beglänzt vom Abendstrahl!
O Täubchen, hätt‘ ich Flügel;
Ich schwebt‘ umher wie du,
Auf sanft bewegtem Spiegel;
Nun schau ich ferne zu:
Wie hier, mit Rohr umwebet,
Die rothe Wolke bebet,
Dort Ente, Schwan und Kuh
Des Ufers Krümme säuselt
Von Weide, Birk‘ und Rohr.
Wie weit der See dort kreiselt!
Ein Sandart sprang empor.
Dort waschen Bürgertöchter
Mit Singen und Gelächter
Am Erlenbusch hervor.
Flink schalten auf der Bleiche
Die Mägdlein auf und ab.
Der Angler im Gesträuche
Zuckt fröhlich Schnur und Stab.
Was blickt ihr auf, und lauschet?
Dort in der Tränke rauschet
Der Pferde Schwarm hinab.
Durch seines Gartens Grüne
Kommt unser Nachbar auch,
Mit heller Mandoline,
Und grüßt nach altem Brauch,
Erzählt von alten Tagen,
Und bläs‘t mit Wohlbehagen
Des Abendpfeifchens Rauch
Schon funkelt Mars, schon drehet
Der Bär sich um den Pol.
Da kommt der Mond! O sehet!
Das Weiblein sagt‘ es wohl!
Die Flammensäule bebet
Im See, und blutroth schwebet
Die Scheib‘, am Rande hohl.
Da kreuzt ein Fischernachen
Des Mondstrahls reges Blank.
Sie rudern frisch und lachen,
Gewiß mit reichem Fang.
O daß die Waldhornisten
Im Boot die Echo grüßten;
Wir horchten Stunden lang!
Wir Glücklichen! es hallet
Schon um die Insel her!
Bald fern, bald näher wallet
Der Zwillingstöne Meer!
Die ganze Gegend feiert,
Im Dämmerlicht geschleiert,
Anbetend, still und hehr!
Das alte Schloß liegt graulich
In Linden eingeschmiegt.
Wie durch die Äste traulich
Des Lichtes Schimmer fliegt!
Hoch schmaus‘t bei Kerzenstrahle
Der Fürst im großen Saale,
Und ist wohl auch vergnügt.
Mümmel = Teichrose
Sandart
= Zander
unser Nachbar (Str. 13): Anspielung auf den
Justizrat und Leibarzt Johann Georg Heinze,
der zwei Häuser neben dem Eutiner Voßhaus
im Haus Nr. 184 (heute Voßplatz 2) wohnte.
Vgl. die Erinnerungen der Ernestine Voß in:
Briefe von Johann Heinrich Voß. Bd. III/1.
Halberstadt 1832, S. 82f.